Triebwagen 100 „Spiegelwagen“
Mit Spiegeln in den Fensterholmen
play icon
Der "Spiegelwagen" - Luxus in Karlsruhe
Gesprochen von Dorothee Roth
Das wichtigste im Überblick
Gemeinsam mit der Stadt wuchs auch das Straßenbahnnetz in den 1920er Jahren. Hierfür wurde ab 1929 in mehreren Serien 20 neue Straßenbahnwagen bei der Waggonfabrik Rastatt bestellt. Diese erhielten in den Stegen zwischen den Fenstern eingelassene ovale Spiegel. Aufgrund dieses charakteristischen Merkmals erhielten die Fahrzeuge den Namen „Spiegelwagen“. Zu den Triebwagen wurden ergänzend 10 Beiwagen beschafft. Durch die Beschaffung neuer Gelenkwagen in den 1950er und 1960er Jahren wurden die Spiegelwagen nach und nach ersetzt. Das Einsatzende der Fahrzeuge war 1971.

Technische Daten

 

Baujahre 1929 – 1930, 1936 – 1937 und 1941
Anzahl gebaute Fahrzeuge 20
Fahrzeug-Nummern 94 bis 113
Länge 10,92 m
Breite 2,05 m
Gewicht 13,1 t
Höchstgeschwindigkeit 40 km/h
Leistung 2 x 47 kW bei 600 V
Sitzplätze/Stehplätze 24 / 20

Lieferung & Aufbau des Fahrzeugs

In den 20er Jahre wuchs Karlsruhe in die Fläche, da umliegende Ortschaften eingemeindet wurden. Die neuen Stadtteile sollten auch mit der Straßenbahn erschlossen werden. Dazu baute man neue Strecken nach Knielingen, Daxlanden und Rintheim. Um diese Strecken bedienen zu können, wurden bei der Waggonfabrik neue Triebwagen bestellt. Diese waren rund einen Meter länger, wie die zuvor gelieferten Residenzwagen und konnten daher mehr Fahrgäste transportieren. Man verwendete dabei die gleichen Fensterscheiben, wie bei den Residenzwagen. Hierdurch ergab sich ein breiter Fenstersteg, den man mit einem Spiegel versah. Dieser verschönerte nicht nur den Innenraum sondern hatte auch praktische Vorteile: Man konnte auf dem Weg zu einem Termin sich nochmal vergewissern, dass die Frisur auch richtig sitzt.

Die neuen Fahrzeuge wiesen einen Holzaufbau auf, die Sitze waren jeweils längs entlang des Fahrgastraum platziert. An jedem Ende war eine Plattform mit je einer Tür pro Seite. Das Fahrzeug besaß auf beiden Seiten einen Fahrstand, so dass diese in beide Fahrtrichtungen eingesetzt werden konnte. Über eine Leine kann eine Glocke auf dem Fahrstand betätigt werden. Diese wurde vom Schaffner genutzt, um dem Fahrer die Abfahrt zu signalisieren.

Nach der ersten Serie wurde ab 1930 eine zweite Serie bestellt, es folgten jeweils 1936, 1937 und 1941 nochmal weitere Fahrzeuge. Die Serien setzen sich wie folgt zusammen:

Lieferung Fahrzeug-Nummern Baujahre
1. Serie 94 bis 97 1929
2. Serie 98 bis 103 1930
3. Serie 104 bis 106 1936
4. Serie 107 bis 109 1937
5. Serie 110 bis 113 1938

Die letzte Serie von 1941 litt bereits unter dem durch den Krieg ausgelösten Mangel an Bauteilen. Man verwendete zum Bau der Fahrzeuge die elektrische Ausrüstung von drei ausgemusterten Gepäckwagen der Karlsruhe Lokalbahn. Außerdem erhielten diese Beschläge aus elfenbein-artigem Kunststoff. Daher wurde diese Serie auch als „Elfenbeinwagen“ bezeichnet.

Passend zu den Triebwagen wurden 10 Beiwagen beschafft.

Einsatzgeschichte & Verbleib

Die Spiegelwagen fuhren häufig behängt mit einem Beiwagen. Dabei kamen sowohl die passenden Spiegelbeiwagen als auch die älteren Beiwagen der Residenzwagen hinter den Spiegelwagen zum Einsatz. Zu Beginn der Einsatzzeit kamen diese vor allem auf der stark nachgefragten Linie 1 zum Einsatz. Mit der Ablieferung neuer Fahrzeuge in den 50er Jahren wurden sie von dort verdrängt und kamen auf anderen Stadtlinien zum Einsatz.

Alle zwanzig Triebwagen überlebten den zweiten Weltkrieg. Da die Fahrzeuge nach dem Krieg noch unentbehrlich waren, wurden einzelne Fahrzeuge modernisiert. Dabei wurde der Holzaufbau der Plattformen durch eine Stahlkonstruktion ersetzt, während der eigentliche Fahrgastraum seinen Holzaufbau behielt. Vier Fahrzeuge erhielten einen kompletten Aufbau aus Stahl, welche daher als „Stahlumbauwagen“ bezeichnet wurden.

Mit der Ablieferung zahlreicher neuer Gelenkwagen in den 1960er Jahren wurden die Spiegelwagen nach und nach abgelöst, so dass der letzte Spiegelwagen 1971 im Planverkehr fuhr. Die meisten Fahrzeuge wurden verschrottet, einige konnten noch als Arbeitswagen weiter genutzt werden.

Der Triebwagen 100 wurde bereits 1969 ausgemustert, dieser gelangte danach zur Albtalbahn als Arbeitsfahrzeug. 1987 wurde er nicht mehr als Arbeitsfahrzeug benötigt und gelang zurück zu den Verkehrsbetrieben, wo er als historisches Fahrzeug aufgearbeitet wurde. Außerdem blieben mehrere der Stahlumbauwagen erhalten.